Rubin: Wie der Sog der Strömung (German Edition) by Yvonne Gees

Autor:Yvonne Gees [Gees, Yvonne]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Rubin
veröffentlicht: 2015-01-24T23:00:00+00:00

7. Kapitel - Weil er die wahre Liebe kennt

Baron D’Argnan lehnte sich in seinem Sessel zurück und zog an seinem Pfeifchen. Er hatte das Leben auf dieser Insel mit Frau und Tochter stets als erfüllend empfunden, und doch wusste er nun, was diese stete kleine Unruhe, verschlossen in seinem Innersten, zu bedeuten hatte: Er hatte über all die Jahre das höfische Leben sehr vermisst, ohne es sich eingestehen zu wollen. Sich gewandt unter seinesgleichen zu bewegen, sogar vom König selbst geachtet, war in seinem früheren Leben eine Selbstverständlichkeit gewesen. Jetzt hatte er wieder von dem alten Trunk gekostet - und den schlummernden Durst geweckt.

Die Glocke läutete, der Baron hörte den Hausdiener zur Tür eilen, dann einen kurzen Wortwechsel. Offenbar war nur etwas abgegeben worden, der Diener bedankte sich und klopfte Momente später an die Stubentür.

"Herr Baron, ein Präsent für die ... Baronesse."

Der Hausdiener stockte nicht zu Unrecht mitten im Satz, denn niemand hier sprach Selina als illegitimes Kind mit diesem Titel an. Er legte ein in rotes Seidenpapier verpacktes, kleines Päckchen auf dem Tisch ab.

"Danke, Pierre. Geh bitte Selina holen."

Der Diener zog sich zurück.

Minuten später kam Selina herein, mit losem Haar und im bequemen, schlichten Kleid, ihre Miene erwartungsvoll. Im Moment ihres Eintretens glaubte er fast, die Mädchenvariante seiner Frau zu erblicken, so, wie er sich in sie verliebt hatte. So, wie sie ihn mit Leib und Seele aus seinem alten Leben herausgerissen hatte.

"Wer hat es gebracht?", fragte sie, die Augen auf das kleine Päckchen gerichtet, das eine prächtige weiße Schleife zierte.

"Jemand, der dich Baronesse nennt", war die Antwort.

Selina hob die Augen und erblickte gerade noch das kleine Lächeln im Gesicht ihres Vaters, der im nächsten Augenblick schon wieder genüsslich an seiner Pfeife zog und den Rauch in kleinen Wölkchen auspaffte.

Sie nahm das Geschenk vorsichtig in die Hände, es besaß die Größe eines Handtellers. Auf einem an die Schleife gehefteten Kärtchen stand in schwungvoller Schrift Selina D’Argnan. Ihr Vater durfte ruhig sehen, was sich im Inneren verbarg. Selina öffnete das Präsent vor seinen Augen und konnte nicht umhin, den Inhalt zu bestaunen: eine zierliche Porzellanfigur, schneeweiß und so fein, dass an einigen Stellen das Sonnenlicht hindurchschien. Ein Mann und eine Frau, im Tanz vereint, die Körper in derselben dynamischen Bewegung gefangen. Ein wirbelnder Rocksaum, verträumte Gesichter, so fein gearbeitet als seien reale Personen zu Porzellan erstarrt.

"Mit dir zu tanzen, hat ihm wohl gefallen", hörte Selina ihren Vater leise sagen.

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